Sonntag, 29. August 2010

Vielleicht

Ein längeres Zufallsgespräch in einer frühen Herbstnacht. Eine Hetzjagd durch alle möglichen Themen. Ich muss ziemlich flink auf den Zehen sein. Geschulte Gesprächspartner, die meine Langweiligkeit für rätselhaft halten, sind am schwierigsten.

Zum Glück findet die Unterhaltung auf Englisch statt. Angeblich habe im Englischen eine andere Persönlichkeit. Ich weiß nicht, ob das stimmt, zumindest kann ich mich hinter meinem Pazifikakzent und markigen kurzen Sätzen verstecken.

Der Abend endet mit einer angedeuteten Umarmung - ich weiß nicht, warum sie darauf immer Wert legen - und einer - ja, was? Ermahnung, Erinnerung?

"There is always a way if you really want something."
Ich lächle knapp.
"Not for me there isn't."
"Well there you go because you don't want it then."
"Yeah", gebe ich zurück, schon halb im Gehen. "Permaybehaps I don't."

Sonntag, 1. August 2010

Letzte Worte

Freitagnacht stehe ich mit dem Gevatter an der Flutmauer am Fluss, hinter uns schließt die Stammkneipe nach einem geschäftigen Abend.
"Ihr werdet mir alle irgendwie fehlen", meint er. "Aber so sehr nun auch wieder nicht." Ich weiß, was er meint. "Dafür bin ich schon zu oft irgendwo weggegangen", setzt er hinzu.
Haven't we all, denke ich.
"Leben geht weiter", stimme ich zu, mit einem Schulterzucken.
Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Wir verabschieden uns, es beginnt zu regnen.

Samstag, 31. Juli 2010

Entspannen

Einem Ausflug mit Übernachtung in den Westen des Landes, der für heute angesetzt ist, sage ich ab. Ich brauche Ruhe nach der letzten Woche und den letzten Wochenenden, und ich kann mich nicht entspannen, wenn ich von Menschen umgeben bin.

Dienstag, 20. Juli 2010

Routine

In der verwinkelten und treppsturzigen Eckkneipe, in die ich selten steige, flötet und fiedelt trad music hinauf ins Obergeschoss, wo ich mich mit meinem Bruder, dem Gevatter und Belcampo einem ausgedehnten Freitagsklönschnack hingebe.
Am Sonnabend geht es hinaus in die Landschaft, wo noch eine Kollegin wohnt, die ihren Ausstand feiert. Weltuntergangsbeleuchtung; unter schwarzen tiefhängenden Regenwolken, und am Horizont schrägen die Sonnenstrahlen wie Klingen hinunter und tauchen die grünen Hügel in gleißendes Licht. Wir legen Fleisch auf den Grill.
Am Sonntag dann geht es an die Küste hinaus, nach Südwesten, in die Gegend der Metzen Landspitze hin. Eine stille friedliche Bucht, ein geschütztes Felsnest, wo wir den Grill aufbauen und auch Lagerfeuer machen. Möwen stürzen pfeilschnell ins Wasser hinunter, auf den Graswänden hängen zu allen Seiten Schafe. Man frisst sich mit der Weite des Meeres und der Ruhe des Abends voll.

Vergangenes Wochenende ist ein einziger Schleier. Ich treffe mich am Freitag mit den Katzeneltern und der australischen Vielläuferin, später kommen mein Bruder und der Gevatter hinzu. Belcampo hat der Insel in der Woche endgültig den Rücken gekehrt.
Die vollen Gläser wachsen nach, und wir verlagern irgendwann. Szenenwechsel, Restetunnel. Der schwedische Rauschgoldengel erblickt uns und nach kurzem Abtauchen in der Menge steht sie goldlockig und strahlendblauäugig zwischen uns. Sie arbeitet in der gleichen Firma, man trifft sie immer wieder in den verschiedenen Kneipen der Stadt an. Die Szene verschwimmt, meine fellowship hat sich distanziert, ich habe das Gefühl, über dem Engelchen und mir hängt ein Spotlight. Sie sieht an mir herauf mit ihren großen Augen und drückt mir ihre Brust in die Jacke.
Für einen Moment falle ich in ihre Augen hinein und frage mich, wie das wäre, mich einfach hinunter zu beugen und sie zu küssen. Machen normale Menschen das nicht so? Der Moment vergeht, irgendein Intermezzo folgt und ich nutze die Gelegenheit für einen
lautlosen Rückzug aus der Szene. Schnitt.

Am Sonnabend höre ich mir Vorhaltungen an; wieso ist da nichts passiert, man habe uns extra allein gelassen, und dergleichen mehr; fein säuberlich verpackt in ironische Töne. Ich sehe mich außerstande, meinen totalen Mangel an Interesse in Worte zu kleiden und widme mich lieber der Zubereitung des großen Fressens. Es wird ein Erfolg, alle sind satt und glücklich.
Danach werden die Gläser gehoben, am Sonntagmorgen falle ich schließlich wie ein Stein in mein Bett.
Am Abend dann begehe ich einen schweren Fehler und sehe mir im Kino einen bestimmten Film an, und noch während er läuft, ist mir klar, dass das keine gute Idee war und ich spüre förmlich etwas in mir aufreißen.
Benommen treibe ich zurück nach Hause und bin am nächsten Tag erleichtert, dass die Routine mich wieder komplett vereinnnahmt.

Samstag, 10. Juli 2010

Die Insel

Sechzehn Grad und den dritten Tag anhaltender Regen. Trister kann einen die Realität kaum einholen. Obwohl Realität diesen Ort und diese Situation nicht beschreiben kann.
Obwohl ich dort nur im Urlaub war, habe ich in Deutschland einmal mehr erlebt, was wirklich real ist. Das hier ist eine Spielzeugwelt; unecht, surreal, falsch.

Ein im Grunde winziger Cocon aus immergleichen Abläufen, immergleichen Tätigkeiten und Beschäftigungen, immergleichen Menschen, komprimiert in ein paar gangbare Greenzones hinein. Die Abende in der Stadt demonstrieren das jedesmal überdeutlich. Die Grill- und Kochabende, die wir untereinander veranstalten, sind immer auch Rückzüge, Versuche, etwas Anderes zu sehen, als das, was uns alltäglich umgibt.

Im Grunde kann man diesen Ort und die Zustände auf Dauer nur ertragen, wenn man weiß, dass es nicht für immer ist. Das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Man braucht ein Ziel, auf welches man hinarbeiten kann, ansonsten erdrosseln einen die immergleichen Tage und Wochen und Monate.
Welches Ziel das ist, muss jeder hier mit sich selbst ausmachen. Mein eigener Ein-Jahr-Plan begann im Mai, dementsprechend kann ich bereits zwei volle Monate abziehen. Und das tue ich. Ich zähle die Monate.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Durchatmen

Ein paar Tage Zuflucht. Wald und Seen. Sonnenflecken, die auf dem Boden tanzen, wenn man vom Feldrain unter die Bäume tritt. Ein Greifvogel, der in der Mittagshitze über einer Lichtung kreist. Weite goldene Weizenfelder, an deren Rain Kornblumen und Mohn wachsen. Dieser Ort, er ist Rückzug und Sehnen zugleich, ich vermisse ihn, selbst, wenn ich da bin.

Ein paar Tage lang ehrliche Beschäftigungen, sinnhafte Verrichtungen. Ein kranker Baum wird gefällt. Ich schleppe Steine, bewege Erdreich, lerne, wie man Fisch räuchert. Fahre mit dem Fahrrad, weite Strecken, nehme Eindrücke in mich auf.
Es wird gegrillt, mal bei uns, mal anderswo.
Ich besuche das Grab des Afrikaners, oben im Eichenhain auf dem Waldhügel und lege die Hand auf den Deckstein. Er ist rauh und warm vom Sonnenlicht und die Gräser ringsum stehen hoch.

Ich bin auch in der Stadt, die in einiger Entfernung liegt. Hitze und vom Sonnenlicht wie leergewaschene Straßen. Mir geht durch den Kopf, dass ich mit der Verlorenen kaum hier war und das deshalb keine Geister durch diese Straßen wandeln. Hier hat sie keine Fußspuren hinterlassen und deshalb kann ich hier noch meine Schritte setzen. In den anderen Städten ist das nicht so und deshalb meide ich sie. Die Geister sind mir dort noch immer zu präsent.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Hurra

Ja sauber, der Herr, Deutschland gewinnt gegen Ghana, der deutsche Mob rottet sich vor De Ollen Eik zusammen, mit dem Bruder und dem Keiler wird auf Königsklassenniveau einer abgebissen, auf dem Heimweg natürlich noch Stress mit den einheimischen Affenkaspern gehabt und in ein paar Stunden schön auf Arbeit antreten, was ein Scheiß.
Werde ich eigentlich nie erwachsen?

Sonntag, 20. Juni 2010

Nichts Neues

Am Freitagabend bleibe ich länger im Lager, da ich abends noch einige Dinge zu erledigen habe, für die am Tag keine Zeit war. Ich gehe, in der Stadt angekommen, mit der Unverhohlenen ein Bier trinken, bevor ich mich den Militärhügel hinaufbegebe.
Obenauf wohnt Belcampo, sein Garten geht nach Westen hin; im Sommer keine schlechte Eigenschaft.
Im Garten brutzelt Fleisch auf dem Grill, von Belcampo selbst überwacht; mein Bruder und der Gevatter liegen im Wohnzimmer auf der Couch und schauen Fussball.
Später kommt die Australierin vorbei, dann auch die Katzenmami und die Halbscheue. Es wird ein lustiger Abend, besser als in der Kneipe. Der Gevatter gönnt sich einen doppelten Divenabgang.

Anderntags finde ich mich mit einer Galiamelone, Saft und anderem Kram zum Frühstück bei der Halbscheuen ein, die Katzenmami ist ebenfalls da. Stimmt, sie hat dort übernachtet und den Katzenpapi daheim sich selbst überlassen, "der kann sich ruhig mal Sorgen machen". Ich muss grinsen.
Belcampo lässt auf sich warten, kommt dann aber wirklich doch vorbei. Etwas später fahren wir erst nach Ringorscheidich, und weil es dort einfach nur hässlich ist, weiter nach Kreutzhafen, wo wir nach ein bisschen Fusstrecke tatsächlich am Strand sitzen. Danach dann setzen wir erst die Katzenmami, dann die Halbscheue zuhause ab und fahren zum 24-Stunden-Markt, decken uns mit Zutaten ein und zurück bei Belcampo rühre ich ein scchnelles solides Abendbrot zusammen.

Mit dem Bier nehmen wir im Garten Platz und reden über nichts Bestimmtes. Die ersten Rauchsäulen erscheinen über dem gegenüberliegenden Hügel der Stadt, Nachtnaheinich, genannt der Idiotenhügel. Bald ist Sommersonnenwende, wo sie alles verbrennen, von Müllsäcken über Matratzen bis hin zu Kühlschränken. Dies sind vermutlich die Fingerübungen. Bald sehen wir mehrere Rauchsäulen und dann, obwohl mehrere Kilometer entfernt, ein großes helles Feuer. Wahrscheinlich, so mutmaßen wir, hat man drüben aus Versehen ein Haus mit angezündet. Wir schütteln die Köpfe, leeren unser Bier und ich verabschiede mich. Strand macht müde.

Am Sonntag setze ich mich draußen vor der Stammkneipe in die Sonne, trinke ein Bier und genieße den leichten Geruch von Fluss. Sogar Fische schwimmen drin, das erste Mal, dass ich in diesem Fluss welche sehe.
Die Katzeneltern kommen vorbei, wir bestellen noch eine Runde, dann wird es am Nebentisch so laut, dass wir die Flucht ergreifen. Spanierinnen. Viel zu laut und partout unfähig, für zehn aufeinanderfolgende Sekunden die Fresse zu halten.
In einer kleinen Kneipe kommen wir schließlich unter, in welcher sie traditionelle Musik spielen. Für ein weiteres Bier ist das recht angenehm, dann zieht es alles nach Hause.

Am Montag feiert die Australierin ihren Geburtstag, wir gehen in eine Bodega, ich nehme für ein Weizen mit dem Katzenpapi an der Theke Platz und angenehm zwanglos vergeht der Abend, auch das Essen ist gut.
Später spielen ein paar Unerschrockene live Jazz, der klingt, als wäre er in den 30ern komponiert worden.
"Wie war dein Wochenende?", fragt mich heute eine Kollegin, die gestern noch frei hatte.
Ich zucke mit den Schultern.
"Wie immer."

Reader


Ian Mcewan
Atonement

Sounds


Black Autumn
Rivers of Dead Leaves


Ohne wieder einmal verlegt zu werden, und soweit ohne größere Eruptionen, existiert der Äußere Himmel an diesem Ort für den bisher längsten zusammenhängenden Zeitraum. Dies ist seine Geschichte.

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Locus Solus
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