Locus Solus

Dienstag, 31. Mai 2011

...

"I saw it clearly behind the veil of reality
and as I dreamed of lilies white
in the shade of a birch
they withered in the frost of awakening"




T. Lindberg

Mittwoch, 30. März 2011

...

"The mouths that dare not speak his
name, behold them, raised complete and fine.
The battle for our lives is oh, so brief."




A. Stainthorpe

Samstag, 23. Oktober 2010

Over the Madness

"[...]
Falling, hands are tied
Anyone else but me
Getting over the madness
Getting over the strain
"



N. Holmes

Sonntag, 15. April 2007

Vor dem Erwachen

Ich fand mich in einer hügeligen Landschaft wieder, die von Brauntönen bestimmt war. Herbstliche Laubhecken, hohes volles Korn auf weiten Feldern in bronzener Abendsonne. Ich ging am Feldrain entlang mit einer Frau und hörte ihr zu. Zwischen uns schritt ein Tier, vielleicht ein Reh, nur graziler. Sein Fell schimmerndes rotes Gold.
Auf einer Hügelkuppe sahen wir auf das Land hinunter. Ich liebkoste das Tier, kraulte ihm die Wangen und die Ohren. Die Frau führte dabei meine Hände, legte sie an beide Seiten des Kopfes der Kreatur. "So sind sie gelähmt und vollkommen wehrlos", sagte sie.
Und dann schnitt sie das Wesen auf und zog sein Fell ab. Dort zu sein, war meine Strafe für etwas, dass ich getan hatte. Ich musste das Tier halten und dabei in seine Augen sehen. Kein Vorwurf lag darin. Nur Frage, Unverständnis. Die Qual ahnungsloser Unschuld.
Ich fuhr nicht hoch oder zuckte herum. Ich schlug nur die Augen auf und atmete durch. Ein paar Minuten lag ich da und wartete, dass das Herz aufhörte, im Hals zu schlagen. Dann zog ich mich wieder an. Keine Lust, kein Sinn, gleich wieder zurückzugehen.

Dienstag, 10. April 2007

Entfallen

Vergangene Nacht erwache ich zweimal aus Träumen von Zweisamkeit. Was soll mir das sagen? Fühlt sich ein Teil von mir schon so einsam, dass er sich Romanzen kurzerhand synthetisiert? Es wäre denkbar. Im ersten Traum treffe ich an einem vermüllten Strand mit tiefschwarzem Wasser eine Frau, aber nur weil sie mich anspricht. Ich wäre weitergegangen. Sie ist verlegen, aber ich gestehe ihr, dass ich mich überhaupt nicht getraut hätte, meine übliche Starre zu verlassen. Sie lächelt und wir blicken gemeinsam auf das schwarze künstliche Wasser hinaus.
Im zweiten Traum bekomme ich wieder einmal Besuch von der Verlorenen. Es ist die übliche heile Welt: no hard feelings, happy together. Irgendein sonniger Vormittag in einer geräumigen Wohnung. Irgendwie passt alles wieder und ich halte ihre kleinen Brüste in meiner Pranke.

Wie gesagt, ich wache auf. Wie immer. Aber es ist mir egal. Keine rasende Herzfrequenz, kein Elend, keine Übelkeit, nur weil ein bestimmtes Gesicht aufgetaucht war. Oder weil ich für einen kurzen Moment das flüchtige Glück noch spüre, bevor es sich verliert. Ich zucke mit den Schultern und drehe mich auf die andere Seite. Dies ist mein Platz, denke ich, this is where I belong. Aber das ist reflexhaft. Eigentlich kein Grund für Mantras. Ich schlafe wieder ein. Was ich dann träume, weiß ich nicht mehr.

Freitag, 16. März 2007

Risse

Manchmal wache ich nachts auf. Einfach so, ohne Grund. Ich kann mich nicht erinnern, was ich geträumt habe. Es ist alles formlos und dunkel. Aber ich fühle etwas in mir. Einen Drang. Ein Bedürfnis. Das Gefühl, getrieben zu werden, getrieben zu sein. Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet. Es quält mich. Diese Worte sind das Einzige, das hilft. Was steckt dahinter? Erlösung, Vergebung?
I’m sorry, flüstere ich, I’m sorry. Wieder und wieder. I’m sorry. I can’t. I just can’t. I’m sorry.
I can’t.
I’m sorry.

Fieber

Es ist nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich krank werden muss, in einer Arbeitsumgebung wie jener, in der ich arbeite. Zu viele Menschen sitzen zu dicht beieinander und die Klimaanlage tut das Ihre dazu.
Es beginnt damit, dass ich am Sonntagnachmittag anfange, zu niesen. Gegen Abend läuft meine Nase schon wie ein Wasserhahn. Gegen Schichtende um halb drei morgens zittere ich dann wie ein Lamm im Frühjahr, obwohl es nicht einmal kalt ist. Nach und nach erkenne ich alle Anzeichen irgendeiner fiebrigen Erkrankung. Meine Augen schmerzen, ebenso meine Haut; es ist, als wäre das T-Shirt aus Sandpapier. Mir ist schwindlig und mein Nacken fühlt sich an, als sei Sand zwischen die Wirbel geraten.
Großartig, denke ich. Ich lege mich in meiner dicken Fleecejacke ins Bett und decke mich mit zwei Decken zu. Obwohl das Innere meines Schädels brennt, klappern meine Zähne aufeinander. Jede Bewegung jagt einen neuen Frostschauer meinen Rücken hoch. Das Fieber steigt und ich fange gegen Morgen an, zu fantasieren.

"Na, wie geht’s meinem Tiger?“ Sie setzt sich auf den Bettrand und legt ihre Hand auf meine Stirn. Sie fühlt sich herrlich kühl an. Ihre Gesichtszüge fließen, aber sie hat ganz helle blaue Augen und schulterlanges schwarzes Haar. Ihre Fingerkuppen streichen sanft über meine Schläfen, es ist ein schönes Gefühl und so verdammt real.
Nach einer Weile nimmt sie meine rechte Hand, als irgendein Wechsel stattfindet. Sie weint plötzlich und ich erschrecke.
„Was ist?“, krächze ich. Dann verstehe ich; dieser Moment endet jetzt.
„Ich kenne ja nicht einmal deinen Namen“, sagt sie mit erstickter Stimme.
„Nicht loslassen“, beschwöre ich sie und bin entschlossen, festzuhalten. Aber dann ist sie verschwunden. Das Zimmer ist dasselbe wie gerade eben noch, aber meine Hand ist leer. Das Unterbewusstsein hat losgelassen und das Gefühl von Verlust und Verlassenheit ist gewaltig.

Exorzismus

Nun also doch. Das Unterbewusstsein gibt keine Ruhe. Daher erscheint dieser Eintrag auch hier.
Am Wochenende sehe ich mir drei Filme im Kino an. Einer von ihnen ist „The Last King of Scotland“, in denen Gillian Anderson für mich unerwartet kurz auftaucht. Sie trägt, anders als man sie kennt, langes blondes Haar und ihre haut ist dunkel von der Sonne. Ihr Gesicht wirkt härter und dünner als früher. Wie sie aussieht, wie sie sich bewegt, wie sie lächelt oder die Stirn runzelt, rührt etwas in mir auf.

Ich treibe durch die Eingeweide Dublins. Der Unruhe, die ich in mir habe, kann ich anders nicht begegnen. Ich muss in Bewegung bleiben. Die meiste Zeit bin ich alarmiert. Ich will nicht unvorbereitet erwischt werden. Der Zusammenhang, das Bindeglied ist mehr als schwach, aber es existiert eben und sorgt dafür, dass ich auf der Hut bin, in Dublin. Im Jahr vor dem vergangenen ging der holländische Ex-Junkie hierher. Es ist nicht so sehr sein Gesicht, das mich beschäftigt, wahrscheinlich liefe ich an ihm vorbei. Wie gesagt, die Verbindung ist schwach. Aber im besagten Jahr, bevor sie in die Psychiatrie musste, kam sie mit ihm hierher. Sie ging wieder, er blieb. Ob sie noch Kontakt haben, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Aber die vage Möglichkeit des Holländers in dieser Stadt, ist ein Stachel in meinem Fleisch.

Im heute gesehenen Film erscheint Gillian Anderson namenlos. Sie, und auch die Figur, die sie spielt, erinnern mich an die Namenlose. Ich habe ihr den Namen genommen und ihr damit einen neuen gegeben. Wollte ich nicht ganz aufhören, sie zu erwähnen? Ich muss einsehen, dass dieses Konzept eine Schwäche hat. Das Problem bleibt präsent und egal wie sehr ich es zu ignorieren suche, endet es nicht. Wenn die Vermeidungsstrategie also nichts fruchtet, muss ich mich dem Problem wieder einmal stellen. Der Schlamm ist ohnehin aufgewühlt. Ihr Gesicht, die Erinnerung an sie und die unklaren Geschichten, die mein Unterbewusstsein daraus webt, verpesten nachts meine Träume.

Wo beginne ich, mich dem Problem zu stellen? Was weiß ich überhaupt noch über sie? Ich versuche, mich an ihren alten Skype-Namen zu erinnern. Als ich ihn finde und eingebe, ergibt sich kein Resultat. Sie hat ihn gelöscht. Ich bin nicht wirklich überrascht. Damit war zu rechnen.
Als sie nach Süddeutschland ging, hat sie auf diversen Partnersuchseiten Profile erstellt und sich dort ihre Begatter geangelt. Davon war ich einigermaßen angewidert, eigentlich war das der Hauptgrund, den Kontakt abzubrechen. Für Fickschlampen ist in meinem Freundeskreis kein Platz; egal wer sie sind, oder welchen Geschlechts.
Ich zermartere mein Hirn, damit mir ihr Username wieder einfällt. Als ich ihn erinnere, zeigt der Begriff kein Ergebnis. Sie hat ihr Profil gelöscht, oder gewechselt.

Was sagt mir das? Ich vermute, sie stellt damit Gerechtigkeit her. Ich will nicht, dass sie mich findet oder je wieder kontaktiert, dementsprechend soll auch nicht sie finden können. Sie zwingt mich, zu meiner Entscheidung zu stehen. Möglich, dass es eine Art Strafe sein soll. Aber wahrscheinlich hat es nichts mehr mit mir zu tun. Vielleicht hat sie sich in einen der Kerle, mit denen sie es trieb, verliebt und ist nun glücklich mit ihm zusammen. Kein Bedarf mehr für Partnersuche. Das klingt logisch. Ich kann nur vermuten, aber diese Annahme ist die plausibelste. Es ist erstaunlich, wie meine Kenntnis von ihr verschwunden ist. Sie könnte verheiratet, schwanger oder tot sein, for all I know. Sie ist zu einem fremden Menschen geworden, dessen Leben mit dem meinen nicht verknüpft ist.
Nicht, dass es für mich irgendetwas ändert. Ich hatte und habe nicht vor, wieder mit ihr in Kontakt zu treten. Abgesehen davon, dass sie wohl schon aus Vergeltung jede Anfrage abschmettern würde, würde ich nicht mehr fähig sein, in den Spiegel zu blicken. Ich würde mich vollkommen lächerlich machen, ich würde darüber vermutlich auseinanderbrechen. Selbst, wenn ich es wollte, ich wäre nicht fähig, solch einen Schritt zu machen.

Aber eines sehe ich. All das ist, worum es in dem Konzept verbrannter Erde geht. Auf solche Weise nur Trümmer zu hinterlassen, das man nie mehr zurückgehen kann, selbst, wenn man es wollte, und ganz gleich, wie sehr. Das ist mir gelungen. Ich habe eine Entscheidung gefällt, die sich über alle späteren Überlegungen und Ansichten hinwegsetzt. Warum die Erinnerungen und die Träume mich trotzdem noch immer heimsuchen, ist mir ein Rätsel. Eigentlich dürfte das nicht passieren. Mir ist ebenso rätselhaft, warum das Vergangene mir mal weniger ausmacht, und mal mehr. Vielleicht ist es ganz einfach die Leere, die zurückgeblieben ist; ein Krater durch den der Wind heult, mal stärker, mal weniger stark. Ich verlange ja nicht, dass diese Grube wieder gefüllt wird. Wer immer das täte, würde irgendwann nur eine neue zurücklassen. Aber es wäre schön, wenn sie an der Oberfläche zuwüchse. Nun ja, vielleicht nächstes Jahr.

Sonntag, 14. Januar 2007

Bahnhof

Ich vermute, wenn der Damm einmal gebrochen ist, gibt es fuer einige Zeit keinen Halt mehr. Letzte Nacht erlebte ich aufs Neue einen Versoehnungstraum und bin morgens sprachlos darueber, mit welcher Gerissenheit und Vehemenz die Psyche - oder wie immer man es nennen will - sich selbst verarscht. Das kann doch alles einfach nicht wahr sein, denke ich bereits genervt.

Die Versoehnung findet statt und diesmal gibt es keine Zweifel oder Hintergedanken meinerseits, nur die Angst, dass sie es nicht ernst meinen koennte. Aber sie tut es. Sie meint es ernst und haelt sich ans Prozedere. Haarklein und plausibel erklaert sie, warum sie getan hat, was sie getan hat. - Herrlich, dass es in meinem Traum natuerlich vorbei ist. Sie ist gelaeutert und voller Einsicht. Die Naivitaet, die da aus meinem Unterbewusstsein wallt, widert mich nachgerade an. -
Wir gehen ueber sonnige Huegelruecken, sprechen ueber vergangene Dinge; sie hat stark abgenommen, sehe ich.

Schliesslich sind wir an einem Bahnhof angelangt und sie muss einen bestimmten Zug schaffen. Es gibt nur zwei, von Dampflokomotiven gezogen . Auf der Tafel des ersten steht "Polgorski", auf der des zweiten "Dobgorobsk". Erwacht wundere ich mich ebenso ueber diese Namen, wie ich mich ueber einen neuerlichen Traum aergere, in dem die, die keinen Namen mehr hat, erscheint. Woher kommen diese Namen? Was tun sie in einer Traumlandschaft, die ans westliche Mittelmeer erinnert? Und welche Strategie sollte ich einschlagen, damit diese Traeume aufhoeren? Ich akzeptiere, dass man eben manchmal auf der Verliererseite steht und nirgends ist das reicher an Konsequenzen als im Zwischenmenschlichen. Aber ich habe es satt.
Ach ja: Die Verlorene muss in den Zug nach "Dobgorobsk". Er faehrt los, als wir auf den Bahnsteig kommen.

Samstag, 13. Januar 2007

Wiedersehen

Es ist Sonnabend, die Anspannung laesst etwas nach. Fuer zwei Tage kann ich durchatmen. Es ist ein milder Tag. Der Himmel ist von einfoermigem Grau, es ist trocken und im Gegensatz zu den vergangenen Tagen nicht windig. Warum verstoert mich, was ich traeume?

Im Traum werde ich verfolgt. Es ist jemand, der mich unter allen Umstaenden finden will, um mir etwas mitzuteilen. Schliesslich bleibe ich in einem verfallenen Innenhof stehen und warte. Ein altes mediterranes Kuestenstaedtchen, dem Aussehen nach zu urteilen. Dann kommt man. Es ist die Verlorene und sie ist nicht allein. Das ist es, was sie mir mitteilen will. Ihr Begleiter ist - natuerlich - aelter als sie, mit einer Ahnung von grau an den Schlaefen. Sein Gesichtsschnitt ist beinah slawisch, komplett mit Kinngruebchen. Vielleicht muss es so sein, dass er mir unangenehm ist. Ich weiss nicht, ob oder was gesprochen wird. Aber die Botschaft ist angekommen, wie man sagt.

Und ploetzlich ist da der Rhodesier an meiner Seite, ruhig und defensiv wie immer, nur groesser, als ich ihn in Erinnerung habe. Waehrend ich mein Gesicht nicht ruehre, weil das Verlorene Paar noch vor mir steht, jubele ich innerlich darueber, dass er da ist. Ich bin so ueberrascht, froh und erleichtert, ihn zu sehen. Ploetzlich stehen wir alle auf einer verschneiten Anhoehe und ich weiss, das ich hier im Vorteil bin. Die Flanke des Rhodesiers ist warm und sein Blick ist vollkommen aufrichtig.
"Komm ", sage ich und wir wenden uns von der Szene ab.
Als ich erwache, habe ich Traenen in den Augen.

Reader


Ian Mcewan
Atonement

Sounds


Black Autumn
Rivers of Dead Leaves


Ohne wieder einmal verlegt zu werden, und soweit ohne größere Eruptionen, existiert der Äußere Himmel an diesem Ort für den bisher längsten zusammenhängenden Zeitraum. Dies ist seine Geschichte.

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